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„Nachtexpress“ von Achim Reichel

(Metronome)

Wohlklingend hebt sich das ab vom neuen deutschen Einheitsbrei jener Typen, die nicht nur optisch so wirken wie im „Fasching bei der HJ“ („Konkret“).

Das ACHIM REICHEL schon Rock 'n' Roll machte, als hierzulande Freddy dauernd Heimweh hatte, gibt ihm musikalische Sicherheit. Und weil er für seine Texte (vor allem „Der Minister“) Jörg Fauser gewinnen konnte, der regelmäßig im „Tip“ aufgeblasenen Feuilletonisten und Jung-Progressiven die Hosen auszieht (und siehe, die sind nur blass), unterscheidet sich die Sprachqualität dieser Musik von jenen der Trend bestimmenden Dilettanten. Nichts für Hitparaden, aber gut für den Kopf.

Stern – Nr. 39, 1983


Achim Reichel

NACHTEXPRESS

Metronome 813.360-1

Mit diesem Nachtexpress fährt unser Beat-Oltimer ACHIM REICHEL aus Hamburg auf dem richtigen Gleis. Alle neun Titel sind bestens produziert und mit höchster Sensibilität aufgenommen. Achim hat zum Großteil selbst Hand angelegt und sein bisheriges Meisterstück abgeliefert. Rock 'n' Roll, Ballade, Rhythm 'n' Blues, Reggae – ungeniert lässt ACHIM REICHEL auf dieser LP die verschiedenen stilistischen Stationen seiner zweiten Karriere Revue passieren.

Das zweite große Plus dieser Soloscheibe ist die instrumentelle Umsetzung der musikalischen Ideen. Die einzelnen Instrumente perlen regelrecht nebeneinander her, mischen sich und entwirren sich wieder – schöne, einfühlsame Soli setzen Glanzlichter.

Selbst Achims Stimme – besser Nicht-Stimme, die früher oft für Befremden sorgte, hat Phrasierung und Intonierung jetzt im Griff. Die hanseatische Steifheit ist bewusster Ironie oder gar Relaxtheit gewichen.

Der einzige Schwachpunkt dieser Scheibe sind die Texte von Achims Haus-Schreiber Jörg Fauser. Der nämlich kann sich gar nicht recht entscheiden, ob er da eine Geschichte erzählen, ein Gleichnis aufstellen oder gar so etwas wie eine moralische Parabel zu Papier bringen soll.

Hier muss sich REICHEL in Zukunft wohl überlegen, wie es weitergehen soll. Der einzige Text von ihm selbst („Seidenrosenduft“) wäre gar kein schlechter Starter; warum also probiert' s der Chef in Zukunft nicht öfter selbst?
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Dietmar Bernd Musik Express – September 1983