Pressebericht

Bunt und skurril wie ein Underground-Comic

Da wird doch laufend behauptet, den Deutschen fehle jegliche Art von Humor. Philosophischer Tiefgang sei ihnen in die Wiege gelegt, aber dafür ginge ihnen jeglicher Sinn für Satire, Ironie, Sarkasmus und Zynismus ab. Für das Gros deutscher Rocker, die sich dabei auch noch der deutschen Sprache bedienen, mag das zutreffen. Und nach den ersten Versuchen von Lindenberg, die jetzt schon mehrere Jahre zurückliegen, Wolfgang Ambros' bisweilen bissiger Lyrik und vereinzelten anderen Lichtblicken bleibt es nun Altmeister und Mehrfach-Erneuerer (Elektronik, Shantys, Balladen) ACHIM REICHEL vorbehalten, mit seiner heißen Scheibe der Entwicklung die (vorläufige) Krone aufzusetzen.

Schon das Cover wirkt „alternativ“, in echter Comic-Tradition. Ein schweißnasser Glatzkopf mit Segelfliegerohren zum Toaster umfunktioniert. Und heraus springen … richtig: die heißen Scheiben. Die zwölf Songs und Songfragmente sind bunt und skurril wie ein Underground-Comic-Strip. Sie leben von gleichsam absurden und dennoch nahe liegenden Wortspielen.

So reimt Achim zwischen Kitsch und Kunst (sein Beitrag zum Playboy-Forum im Aprilheft?) im Titelsong: „Zwei Zwiebäcke flogen über den Horizont/ der eine war eckig, der andere rund/ Da kreuzte ein UFO ihren Weg/ so grad von links nach schräg/ doch bei näherem Hinsehen stellten sie fest/ es war von der Weißbrotstulle der Rest/ Die hatte sich gesonnt in fernen Landen/ und kam dabei fast gänzlich zu schanden/ denn ohne Sonnenöl, sie war erbost, wurd' aus ihr 'ne Scheibe Toast.“

Dieser textliche Tiefgang wird mit Rock 'n' Roll-Chören im Stile der 50er Jahre unterlegt. Eine musikalische Reminiszenz an Beat- und Rockvergangenheit.

Neben dem Titelsong verdienen besondere Erwähnung REICHELs Verballhornung des Villion-Textes „Ich bin so wild nach deinem Erdbeermund“ und der „Werbemann“ („Du mußt mir ein paar Millionen Käufer hypnotisieren/ denn ich will mein Haus auf Sylt nicht verlieren“). Und wie äußert sich der Achim, der übrigens so laid-back auf dieser Scheibe schmachtet, als wolle er ganz nebenbei Gunter Gabriel persiflieren, im eigenen „Werbespott“ (die Betonung liegt auf dem zweiten „t“)? „Diese Scheibe ist der absolute Knaller, die Freude schlechthin, der in Rillen gepreßte Wahnsinn.“ Da hilft wohl nur noch Jägermeister. Prost!
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( dk ) ME – Mai 1979