Eine Biografie von 2015

Diese Seiten sind ein Spiegel für das musikalische Schaffen des deutschen Musikers Achim Reichel, dessen Karriere in den frühen 60er Jahren in Hamburg auf Sankt Pauli begann. Der legendäre Star-Club sollte für ihn das Tor zur Welt werden. Später nennt er seine Zeit mit den Rattles, die gemeinsamen Tourneen mit den Beatles, den Rolling Stones, seinen Idolen Chuck Berry und Little Richard auch gern seine “musikalische Kinderstube“.

„Wir waren kaum der Minderjährigkeit entronnen, da kam es über uns wie ein warmer Regen, im Taumel des Erfolgs leisteten wir uns dicke Autos, ließen uns eigenwillige Maßanzüge anfertigen und feierten auf wilden Partys europaweite Plattenumsätze. Es war der Rock’n‘Roll-Himmel auf Erden.“ Die FAZ bezeichnete ihn als den “Vater der deutschen Rockmusik“ und für die SZ war er “der erste deutsche Superstar“. Die vier Jahre anhaltende Erfolgssträhne des 23-jährigen Musikers wird jäh beendet, als ein Hamburger Gericht, trotz aller Einspruchsversuche, darüber verfügt, ihn für 18 Monate zum Soldaten zu befördern. Aus der Traum - das war’s dann wohl, wird er gedacht haben.

Doch er bekommt eine zweite Chance: neue Band, neues Glück war angesagt. Die Plattenfirmen waren heiß, James Last sollte die erste Single produzieren. Mit seiner Hilfe legte Wonderland einen fulminanten Start hin, aber das Glück sollte nur von kurzer Dauer sein und die Band brach nach einigen Hit-Singles wieder auseinander.

Zusammen mit zwei befreundeten Musikern lässt Achim Reichel sich auf das Abenteuer ein, das heruntergekommene “Mekka der Beat-Musik“, den legendären Star-Club, wieder in Schwung bringen zu wollen. Es sollte nicht sein. Nachdem die drei Club-Pächter Silvester 1969 hoch verschuldet das Handtuch warfen, kam die Abrissbirne. Großes Finale, eine glorreiche Ära zerfällt zu Schutt und Asche.

Bei seinem ersten Versuch eine “unvergleichbar eigene Musik“ zu schaffen, verabschiedet er sich vom üblichen Songschema und experimentiert mit psychedelischen Klängen. Es ist die Aufbruchszeit des Kraut-Rock. Sein innovatives Sound-Projekt A.R. & machines erhält internationalen Beifall, renommierte Kollegen wie Brian Eno und Julian Cope äußern sich begeistert. Nach fünf Jahren und ebenso viele veröffentlichten Alben, ist das Thema für ihn ausgeschöpft, ihm ist nach neuen musikalischen Herausforderungen...

Bei seiner Suche nach eigenkulturellen Bezügen, entdeckt der Sohn einer Seefahrerfamilie in alten Shantys den Folk-Rock-Song. Er schickt sich an, Brücken zwischen Tradition und Moderne zu bauen. Ihm gefällt, dass ihre Texte in einer Mixtur aus englisch, deutsch und sogar plattdüütsch überliefert sind. Sein deftiger Folk-Rock und die alten Shantys sollten sich wie füreinander geschaffen erweisen. Sein Mut für Ungewöhnliches wird mit Erfolg belohnt.

Nach zwei Shanty-Rock-Alben begeistert er sich für klassische Balladen deutscher Dichtergrößen und macht sich daran, sie auf unnachahmliche Art zu vertonen. Damit sollte ihm das kleine Wunder gelingen, Goethe, Fontane und Liliencron in den Pop-Charts zu platzieren und das Album Regenballade wird mit dem „Preis der Deutschen Schallplattenkritik“ ausgezeichnet.

Neben seinen eigenen Aktivitäten betätigt er sich nun auch als Musikproduzent. Entdeckt das Potential der “Minne-Rock“-Band Ougenweide, produziert sechs ihrer Alben, mit denen eine aufblühende Neue Deutsche Mittelalter-Musik-Szene ihren Anfang nimmt. Die nach dem Frühromantik-Dichter Novalis benannte Deutsch-Rock-Band gehört zu seinen Klienten wie auch der Underground-Poet Kiev Stingl oder das Multitalent Piet Klocke.

Zusammen mit Frank Dostal, Freund und Partner seit Wonderland-Tagen, gründet er einen Musikverlag und ein eigenes Plattenlabel. Er hat nun einen prallen Terminkalender und es verlangt ihm einiges ab, seine Bürozeiten mit der Studioarbeit und dem Liederschreiben unter einen Hut zu bringen. Das bleibt nicht ohne Folgen. Sein erstes Album für das eigene Label lässt er bald darauf wieder vom Markt nehmen. Er gesteht sich ein, zwar mit dem Hintern im Studio doch mit dem Kopf im Büro, seine künstlerischen Ansprüche vernachlässigt zu haben.

Nachdem es mit den “alten Dichtern“ so gut gelaufen war, sucht er für sein nächstes Projekt den Kontakt zu “jungen Dichtern“ und lernt zunächst Peter Paul Zahl, Jörg Fauser und Richard L. Wagner kennen. Sind an seinem Album Ungeschminkt noch sechs Textautoren beteiligt, so ist es bei dem Folgealbum nur noch einer: Jörg Fauser. Hier haben sich zwei gesucht und gefunden, während langer Nächte mit Schreibblock und Gitarre verdichten sich beider Welten zu dem Album Blues in Blond. Die Single-Auskopplung Der Spieler überwindet trotz Überlänge alle Genre-Schranken und wird sogar in der „ZDF-Hitparade“ mit einer Auszeichnung bedacht. Auch bei den Folgealben Nachtexpress und Eine Ewigkeit unterwegs sind die beiden als Autoren-Duo die treibende Kraft. Als Jörg Fauser jedoch im Juli 1987 überraschend stirbt, verliert Achim Reichel einen Freund und den Autor, der dreißig seiner Lieder eine unvergleichliche Sprache gab.

Ermutigt von den Einblicken in die Alchemie der Reim- und Dichtkunst, die sich im Zusammenwirken mit den „jungen Dichtern“ ergaben, macht er mit dem Popmusik-Album Fledermaus den ersten Schritt, seine Geschichten mit eigenen Worten zu erzählen.

Zeitgleich trennt er sich von seinen Firmenbeteiligungen, räumt den Chefsessel und beschließt, sich fortan nur noch auf die eigene Musik zu konzentrieren. Einer Einladung des Goethe-Instituts folgend, tourt er als “Kulturbotschafter mit Band“ für einen Monat durch die Metropolen Südostasiens. Es werden unvergessliche Konzerte. Abgesehen von dem einen oder anderen tropischen Platzregen, inklusive Blitzschlag und Stromausfall oder Feuer auf offener Bühne, läuft alles nach Plan und hinterlässt bleibende Eindrücke.

Die nach ihrer Rückkehr gestartete Deutschland-Tour, wird nach einigen Konzerten überraschend abgesagt. Achim Reichel wird mit Schüttelfrost und hohem Fieber ins Tropeninstitut Hamburg eingeliefert. Dort lautet die Diagnose: Salmonellenvergiftung. Den erst kürzlich aus Südostasien Zurückgekehrten erwarten vier Wochen Quarantäne.

Es sind 20 Jahre vergangen, seitdem die Bundeswehr ihn, im Rausche des Erfolgs, bei den Rattles herausgerissen hatte. Rückblickend war es nicht zu seinem Schaden, er ist im Herzen ein Rocker geblieben und die Hinwendung zur eigenen Sprache hat er nicht bereuen müssen. Zur Überraschung aller sollte es seinem alten Mentor und Produzenten Siggi Loch dennoch gelingen, ihn für eine Rattles-Reunion zu gewinnen. Album und Tournee werden gefeiert, doch die Flamme des Erfolgs sollte sich schnell als Strohfeuer herausstellen.

Er nimmt den eigenen Faden wieder auf und lässt sein Album was echtes während einer Drei-Tage-Party in seinem damaligen Landhaus am Großensee vor den Toren Hamburgs von einem angemieteten Studio auf Rädern aufzeichnen. Mit herausgeschnittenem Applaus klettern “Kreuzworträtsel“ und “Fliegende Pferde“ in die Single-Charts.

In den 90er Jahren gelingt ihm der große Wurf. Auf seinem Album Melancholie & Sturmflut zünden mit “Aloha Heja He“, “Kuddel Daddel Du“ und “Auf der Rolltreppe“ drei Hitsingles in Folge. Für die Vinyl-Schallplatte sind die Tage gezählt, es werden bald nur noch CDs gefragt sein. Zufrieden darf er sich über die letzte Goldauszeichnung im LP-Format freuen.

Nach der nächsten CD Wahre Liebe steht sein 50. Geburtstag an. Den feiert er mit zwei Konzerten, vor laufenden Kameras des WDR/Rockpalasts, in der Hamburger Großen Freiheit 36. Auf der Bühne, vor ausverkauftem Haus, mit großer Band, Freunden und Weggefährten, unser Geburtstagskind in seinem Element, vor einem Publikum in ausgelassener Höchstform: Der Nachwelt als DVD Grosse Freiheit überliefert.

Nach den Alben Oh ha und Entspann Dich wird er ein wenig erfolgsmüde, er braucht eine Veränderung. Er verabschiedet sich davon, weiterhin Lieferant von Hitsingles sein zu wollen und nimmt sich als Texter seiner Lieder eine Auszeit.

Dafür zieht es den im Sternbild des Wassermanns Geborenen noch einmal zu den magischen Balladen unserer alten Dichter & Denker. Für deren zeitaktuelle Vertonungen er mit dem Konzept-Album Regenballade schon einmal ein gutes Händchen bewiesen hat. Mit Balladen von Heine, Storm und Mörike entsteht das Folk-Rock-Album Wilder Wassermann.

Ein weiteres Jahrzehnt geht ins Land. Das einstige Jugendidol aus den 60er Jahren ist zum etablierten Künstler herangereift und nähert sich seinem 60. Geburtstag. Den will er wieder in seinem Stadtteil, dieses Mal in der Hamburger Fischauktionshalle am Ufer der Elbe feiern. Es wird zu einem Ereignis, wie es die Stadt noch nicht erlebt hat. An einem wie dafür geschaffenen Sommerabend nimmt er sein Publikum mit auf eine Zeitreise, die innerhalb von vier Stunden durch 40 Jahre seines musikalischen Schaffens führt. Ein musikalisches Groß-Feuerwerk im Jubel der Fans, Reichel im Zenit seines Erfolges. Und dank der Kölner WDR/Rockpalast-Redaktion sind sogar die Fernsehzuschauer dabei. 100% Leben heißt die Live-Dokumentation auf Doppel-CD und DVD. ... als sein überraschter Blick beim Durchsehen der Gratulationspost auch auf würdigende Grußworte des gleichaltrigen Bundeskanzlers trifft, reibt er sich verwundert die Augen.

Anlässlich eines Konzertes seines Ur-Zeit-Gefährten Paul McCartney kommt es nach dem Soundcheck zu einem Wiedersehen der beiden Star-Club-Veteranen. In einem Aufenthaltsraum, der die Illusion vermittelt, sich in einem Beduinenzelt zu befinden, plaudern sie in entspannter Atmosphäre über alte Zeiten. Als Geschenk zum Abschied hat Achim ein Exemplar seiner CD Grosse Freiheit zur Hand und Paule lässt seinen Fotografen auf den Auslöser drücken und revanchiert sich mit einem Erinnerungsfoto. So jung werden sie sich nicht wiedersehen.

Ist sein letztes Studio-Album Wilder Wassermann noch von einem Strickmuster, das Nina Hagen nach einem Festival-Gig “Geiler Dichter- und Denker-Rock“ nennt, so macht er sich nun daran, fast vergessene Lieder – von denen man sagt, sie würden Einblicke in des Volkes Seele gewähren - mit neuem Leben zu erfüllen und nennt das Ergebnis Volxlieder.

Auch hier folgt er seinen eigenen Regeln. Er befreit das alte Liedgut vom engen Korsett vergangener Zeiten und lässt es klingen, als wäre es dem Heute entsprungen. In einer TV-Talkshow demonstriert er zur Akustikgitarre vor ausgelassen mitsingender Runde, dass “Röslein auf der Heiden“ auch im 4/4-Takt seine Qualitäten hat. Sein Mut sollte belohnt werden. Voller Erfolg! Seine Volxlieder schnuppern Chartluft und das couragierte Albumprojekt wird mit etlichen Preisen ausgezeichnet. Anlässlich seiner Ehrung mit dem deutschen Weltmusikpreis RUTH gibt er ein umjubeltes Konzert auf der Heidecksburg zu Rudolfstadt und gastiert mit seiner “VolxTour“ in 25 deutschen Städten.
Weil er sich Abwechslung davon verspricht, lässt er sich vom NDR-Fernsehen für die Vorabendsendung DAS anheuern. Für ein Jahr erscheint er allwöchentlich auf der Mattscheibe als “Reisender mit Gitarrenkoffer - unterwegs im Norden“. Er beginnt sich mit dem Metier anzufreunden, und als das Jahr zu Ende geht, liefert er die Idee zu der musikalischen Sendereihe “Jäger des verlorenen Liedes“. Doch nach der Test-Ausstrahlung der Pilot-Folge finden sich trotz positiven Echos keine Fürsprecher für eine Fortsetzung der Reihe.

Dem Mann von der Küste wird ein Ehrenamt angetragen. Die Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger ernennt ihn für ein Jahr zu ihrem „Bootschafter“. Bei seinen Amtshandlungen lernt er nicht nur den Alltag der Seenotretter auf wilden Wassern kennen, sondern auch die feine Gesellschaft auf vornehmen Charity-Galas.

Nach längeren Perioden der Abkehr vom Konzertgeschehen, findet er neuen Spaß daran, wieder durchs Land zu ziehen und sich Tournee-Luft um die Nase wehen zu lassen. Die mit Tuba, Geige, Mandoline und Akkordeon multi-instrumental besetzte Rockband begleitet seinen ureigenen Gesang mit virtuoser Spielfreude und instrumentalem Klangreichtum. Es entstehen berauschende Konzertmitschnitte (2-CD Michels Gold/Studio + Live ) .

Der von der „Süddeutschen Zeitung“ einmal als “Kolumbus der deutschen Rockmusik“ Bezeichnete, macht sich noch einmal auf zu neuen Ufern. Er entdeckt sich selbst als “Storyteller“ und dass dies ebenso spannend sein kann wie die Musik, die dazu gehört. Seinem Publikum zugedacht nennt er seine “Live-Autobiografie mit Musik“ Solo mit Euch. Die Storyteller-Tour erfreut sich ausverkaufter Häuser, wird Jahr um Jahr verlängert und nachdem von Flensburg bis München und Dresden bis Köln alles abgegrast ist, lässt er sich mit der 100. Show ein letztes Mal feiern (Live-Doppel-CD und DVD Solo mit Euch - Mein Leben, meine Musik, gesungen und erzählt).

Der 28. Januar 2014 ist der Tag im Leben von Achim Reichel, an dem er sich darüber wundert, 70 Jahre alt geworden zu sein. Doch anstelle in das erwartete Jubiläumshorn zu blasen, wünscht sich der im nordischen Winter Geborene den Frühling herbei und fliegt der Sonne entgegen. In einem Haus, abgeschieden auf einer Felsenklippe über dem Meer, lässt er die Seele baumeln und schaut was passiert. Es klären sich seine Gedanken. Und weil er nie ohne Gitarre reist, entstehen Ideen für neue Lieder... und mit ihnen wächst die Antwort auf die oft gestellte Frage: wann - nach 15 Jahren mit Volxliedern und Balladen-Klassikern - endlich wieder mit einem Popmusik-Album in vornehmlich “eigener Zunge“ zu rechnen sei ?!

Die Zeit des Wartens ist vorbei, das neue Album RAUREIF wird am 23.01.2015 auf CD, Vinyl und als Download veröffentlicht.

2017 -  für manch einen ist es zu schön um wahr zu sein:

Achim Reichel präsentiert Die Wiederauferstehung seines innovativen Kunstprojekts A.R. & Machines.

Tickets für die erste Live-Comeback-Show von A.R. & Machines am 15. September 2017 – treffenderweise in der Hamburger Elbphilharmonie – waren im Handumdrehen vergriffen.

Am 27.10.2017 erscheint sein 10 CD-Boxset „The Art Of German Psychedelic (1970-74)“ Es beinhaltet die fünf Studioalben von A.R. & Machines, zwei Live-CDs und drei Bonus-CDs mit fast fünf Stunden unveröffentlichtem Material, welches Achim Reichel in seinem Bandarchiv aufgestöbert hat.

Auf dem Album „Virtual Journey“, das Reichel exklusiv für das Boxset produzierte, paart er, unter Zuhilfenahme von moderner Musikproduktionssoftware, analoge Fundstücke seiner in den 70ern eingespielten Echo-Gitarren mit digitalen Möglichkeiten des 21sten Jahrhunderts. Damit gelingt ihm auf unique Art und Weise die Transformation von A.R. & Machines in die Gegenwart.

Des Weiteren findet sich eine Zusammenstellung erster Remix-Versuche von 1996, die Reichel auf dem Höhepunkt seiner Sangeskarriere zu seinem privaten Vergnügen bastelte und bis jetzt unter Verschluss hielt. Außerdem im Paket ein opulentes 96-seitiges Hardcoverbuch: Die Autobiografie - Die A.R. & Machines Story - prall gefüllt mit Anekdoten über Reichels wilde Jahre in Hamburg und die Krautrock Szene.

Ein halbes Jahrhundert sind diese multiplen, rhythmisierten Echo-Loopings alt. Doch sie klingen wie ein Sound-Entwurf der Gegenwart.