‚entspann Dich‘ – und sei glücklich?

(1999 / 2009) Tangram / Indigo 918882

Entstand über einen Zeitraum von vier Jahren
Ich hatte für die Produktion relativ viel Zeit. Normaler Weise entsteht bei mir eine Platte in einem Zeitraum von ca. zwei Jahren. In diesem Falle war das Vorgängeralbum die „Das Beste von“-CD. Insofern konnte ich fast vier Jahre an neuen Stücken herum werkeln.

Mit dem Computer produziert
Bei diesem Album habe ich mit einer anderen Produktionstechnik gearbeitet. Für mich eine spannende, neue Erfahrung. Zu Beginn meines Musikerdaseins kannte die Technik nur eine Möglichkeit, etwas aufzunehmen. Da waren einige Mikrophone, die Musiksignale aufnahmen und zu einem Mischpult führten und dann weiter zu einem Bandgerät. Das übertrug mit seinem Tonkopf den Klang elektromagnetisch auf die einzig vorhandene Tonbandspur. Was für uns „Musikal-Artisten“ bedeutete: Alle Instrumente plus Gesang mussten in einem Durchgang auf eine Spur – und alles in mono versteht sich. Es gab nur eine Wahrheit!!

Foto: Jim Rakete
Foto: Jim Rakete

Das ist lange her. Mit der Entwicklung der computergestützten Aufnahmetechnik hat sich die Welt verändert. Das Studio von heute ist ein Musiklabor. Da gibt es fast unendliche Möglichkeiten, als Musik-Chirurg operativ ins Geschehen einzugreifen. Wenn du willst, liegen alle Einzelteile deiner Aufnahmen vor dir auf dem Bildschirm und laden dich ein, mit einem Mausklick in ihr Geheiligtes einzugreifen. Wo früher die Aufnahme beendet war, beginnt heute die technische Nachbearbeitung und da kann es einem passieren, dass man im „Computer-Präzisions-Rausch“ endlose Stunden an einem Drei-Minuten-Stück herum tüftelt und dabei die Zeit vergisst. Wie heißt die alte Volksweisheit: Der Teufel liegt im Detail.

Trotzdem war es mir ein ungeheurer Spaß, zu diesen aus feinsten Drum-Loops gewebten Rhythmusteppichen, meinem Gitarrenspiel freien Lauf zu lassen. Und der Songarchitekt in mir kam auch auf seine Kosten, weil die Technik es ihm erlaubte, die Arrangements nur aus den musikalisch gelungensten Baumaterialien zusammen zu setzen.

Foto: Jim Rakete
Foto: Jim Rakete

Mit großem Werbeaufwand gestartet
Und obwohl mit großem Werbeaufwand seitens der Plattenfirma ins Rennen geschickt und von der Kritik mit viel Vorschuss-Lorbeeren überhäuft, startete‚entspann Dich‘ im Radio nicht so richtig durch.

Dabei bin ich nach wie vor der Meinung, dass sich auf der Scheibe wirklich gute Songs befinden. Mein Liebling ist nicht ohne Grund das Titelstück Entspann Dich. Dessen Botschaft gilt fürs ganze Album und als Empfehlung zum Erreichen von mehr Lebensqualität.

Kulturelle Solidarität?
Schmerzhaft musste ich aber erkennen, dass die Kooperation zwischen deutschen Musikschaffenden und dem einheimischen Rundfunk kaum noch funktioniert. Die Sender spielen nur noch solche Titel, bei denen weitgehendst gesichert ist, dass sie dem Hörer auch vertraut sind. Unbekannte Stücke könnten den Konsumenten dazu veranlassen, irritiert das Programm zu wechseln. Darum wird in jeder Neuerscheinung ein nicht zu kalkulierendes Risiko gesehen. Während das Radio früher noch bereit war, aktiver Partner bei der Schaffung von Erfolgen zu sein, überlässt es diesen Job heute eher TV-Stationen oder spielt vor allem Sachen, von denen sich „stolz“ sagen lässt, dass sie aus englischen bzw. amerikanischen Hitlisten stammen. An Stelle von identitätsstiftenden Musikprogrammen wird der Hörer im eigenen Land wachsender Sprachentfremdung ausgesetzt, indem er mit angloamerikanischem Allerwelts-Pop überfüttert wird.

Apropos identitätsstiftend. Eines scheinen wir immer zu vergessen: Für jeden Radiohörer auf den britischen Inseln oder in Ami-Land ist es das Normalste von der Welt, alle Songtexte in seinem Radio verstehen zu können. Er ist dabei nicht zu Schaden gekommen, ganz im Gegenteil. Sein kulturelles Erleben hat mehr Inhalt. Wie es aussieht, läuft es bei uns genau anders herum. Egal wo man in unserem Land das Radio anschaltet, es entsteht der Eindruck nicht dort zu sein, wo unsere Sprache zuhause ist.

Foto: Jim Rakete
Foto: Jim Rakete

Musikgeschäft, vom Liebling zum Problemkind?
Die vorgenannte Entwicklung zwingt manch Kollegen darüber Betrachtungen anzustellen, wo sich für Musiker in unserem Lande noch eine Zukunftsperspektive finden lässt. Aber damit nicht genug. In Zeiten, in denen größere Stückzahlen unbespielte CD-Rohlinge über den Ladentisch gehen als regulär gepresste Silberlinge; in denen im Internet kostenlose „Downloadbörsen“ angeboten werden und in denen die von deutschen Radiostationen bezahlten Copyrightgebühren zu über 80% ins Ausland fließen, erschließt sich einem nur zu deutlich, warum eine ganze Branche ums Überleben bangt.

Auf zu neuen Ufern …
‚entspann Dich‘ ist die Platte, mit der ich mich vorerst vom Selber-Texten verabschiedet habe. In mir ist der Gedanke herangereift, mich wieder einmal mit klassischen Balladen zu beschäftigen. Meine Gründe dafür liegen in der Auseinandersetzung mit dem vereinten Land, mit den Wurzeln unserer Identität und meiner Sorge darüber, dass es ausschließlich die allzu Rechten sind, die unsere Deutsche Kultur für sich zu beanspruchen scheinen. In finde es schlimm, dass wenn einer sagt, er fühle als Deutscher, er sich sofort in einen Topf mit den armschwingenden Kahlköpfen wiederfindet. Da muss in unserem Land ein Umorientierungs-Prozess stattfinden. Nicht auszudenken, was uns sonst an kultureller Identität verloren geht.

Die Titel

Foto: Jim Rakete
Foto: Jim Rakete

Entspann Dich - Sa-Lo-Me - Der Wasserfloh - An den Ufern Deiner blauen Augen - Ich hab’ so lang auf Dich gewartet -  Liebe wo bist Du hin - In der Pampa -  Hauptsache glücklich -  Dein kleiner Spiegel -  Die Entwicklung der Menschheit - Okay Okay -  Auf einem Felsen Bonus: Die Entwicklung der Menschheit (Live ’99)