Ik snack Platt – UN' SING SHANTIES

ACHIM REICHEL – DAT SHANTY ALB'M

Seit einigen Wochen findet man in diversen Tageszeitungen und Zeitschriften eine kleine ovale Anzeige, die ebenso wie ein vereinzelt auszmachender Auto-Sticker verkündet: „Ik snack Platt“. Dieses das Augenmerk nicht gerade auf sich ziehende Werbeprodukt entpuppt sich bei näherer Betrachtung als Reklame für eine der interessantesten Rock-Langspielplatten der letzten Zeit.

ACHIM REICHEL hat mit seinem „Shanty Alb'm“ ein lange gehegtes Projekt realisiert, das eine gelungene Synthese aus Rock'n'Roll und Seemanns-Folklore darstellt. Diese Kombination mag verwundern – nicht jedoch, wenn man Achims Geschichte kennt.

Im Hafenmilieu St. Paulis großgeworden, sollte er nämlich wie sein Vater Steward zu See werden, und er hat auch folgerichtig eine Lehre als Kellner im Landungsbrücken-Restaurant absolviert. Mit der Seefahrerei wurde es dann aber nichts, weil Achim es vorzog, Rock 'n' Roll-Musiker zu werden. Er wurde die Zentralfigur – „der Blonde in der Mitte“ – bei den Rattles, der einzigen deutschen Rock-Band, die sich in den 60er Jahren zeitweilig an Popularität mit den Beatles und den Stones messen konnte. Danach gründete er 1967 die Gruppe Wonderland, für die er mit Frank Dostal den Hit „Moscow“ schrieb. Nach der Auflösung von Wonderland leitete die LP „Die grüne Reise“ die Reihe von 5 Solo-Platten der „A. R. & Machines“ ein, die alle überwiegend instrumentale und sehr experimentelle Musik boten.

Ein ganz neuer Beitrag zu ACHIM REICHELs vielseitigem musikalischen Spektrum liegt jetzt in dem in eigener Regie produzierten „Shanty Alb'm“ (Nova 6.22535) vor. Irgendwann im Sommer des vergangenen Jahres erkannte Achim, dass Shanties und Rock'n'Roll gemeinsame Wurzeln haben: Blues sowie Country- und Folkmusik, (und) also hat er mal versucht, Shanties wie Rock'n'Roll zu empfinden. Dieser Versuch ist überzeugend gelungen.

Lieder wie „Rolling Home“, „De Düvel an Bord“, „Hamborger Veermaster“ oder „Es ging langsam voran“ gewinnen in unverfälschtem Rock-Arrangement eine neue, mitreißende Dimension. Schwere Rocker wechseln mit wehmütigen Songs wie „Shenandoah“ oder witzigen wie dem „Lied von der Hochseekuh“. Die gesamte Platte ist ausgezeichnet gemacht, in ihrer Art einmalig und als Rock-Scheibe unbedingt empfehlenswert.

Szene Hamburg 8/76


Achim Reichel: „Dat Shanty Alb'm“

Dieses Album erregt nicht nur die Hamburger Szene. ACHIM REICHEL, Ur-Rattles-Rocker, hat endlich wieder ein hervorragendes Album produziert. Zehn Shantys in Englisch, Hoch- und Plattdeutsch singt ACHIM REICHEL mit faszinierender, rauchig-tiefer Stimme. Der deftige Sprechgesang vom „Hamburger Veermaster“ oder in „Johnny Johnny“, bei „Rolling Home“ und in „Düvel an Bord“ wird von einer sagenhaft guten Rockinstrumentierung begleitet. Ein duftes, rockiges Mitsing-Album, gut produziert und vom Cover bis zum letzten Ton ausgezeichnet organisiert.

Musik Joker 8/76


„Dat Shanty Alb'm“

Nachdem die „Hamburger Szene“ in künstlicher Volkstümlichkeit erstarrt ist und Udo Lindenberg & Co nur noch die leeren Formeln früherer Erfolge reproduzieren, wartet ein Hamburger Rock-Junge mit etwas zweifelsfrei Volkstümlichem auf: „Dat Shanty Alb'm“ (Teldec/Nova 6.22535 AS).

Aus Alt wird wieder mal Neu gemacht, diesmal aber mit hörbarer Sorgfalt und angenehmem Einfühlungsvermögen. Natürlich hat das authentische Seemannslied so viel mit Rock zu tun wie Rembrandt mit dem Verpackungskünstler Christo. Aber dem Ex-Pur-Elektroniker ACHIM REICHEL gefielen wohl die schönen, bekannten Melodien und die schlichten, unverbildeten Texte. So hat er dann Shanty-Evergreens wie „Rolling Home“, den „Hamburger Veermaster“, „Drunken Sailor“ und „Shenandoah“ in unprätentiösen, deftigen Rock 'n' Roll eingehüllt.

Niemals mußten sich die Verse in diesem Kontext strapaziert vorkommen; das Album stimmt in jedem Lied. Ein Ringelnatz-Couplet („Das Lied von der Hochseekuh“), ein altes Fahrtenlied („Wir lagen vor Madagaskar“) und ein selbstgebautes Shanty („Es ging langsam voran“) werden von REICHEL, der fast alle Instrumente im Playback selber spielt, mit begeisternd intelligenten und eigenwilligen Arrangements aufbereitet. Selbstverständlich hat er auch die für Seemannslieder notwendige kantige, vollvoluminöse Stimme.

„Dat Shanty Alb'm“ ist ein geglücktes Experiment, eines der besten deutschsprachigen Konzeptalben seit Liesbeth Lists „Blauer-Blume“.

B.G., Die Welt Hamburg 26.6.76


Achim Reichel

DAT SHANTY ALB'M

In der letzten SOUNDS wurde es ja schon angekündigt: ACHIM REICHEL hat seine angestaubten blauen Wildlederhandschuhe vom Haken geholt, einen kräftigen Zug aus der Flasche mit dem reinen Rock 'n' Roll-Extrakt genommen und dann eine Platte eingespielt, die ich für die originellste, unverkrampfteste, markigste und antörnendste, kurzum: für die seit langem beste deutsche Rock-Produktion halte.

Shanties sind mindestens in norddeutschen Landen so ziemlich jedem vertraut, und ACHIM REICHEL hat die teils englischen, teils hoch- oder plattdeutschen Songs in einer Weise bearbeitet, die von elementarem Verständnis des Rock 'n' Roll zeugt, und die doch nie den Charakter der Lieder zerstört. Un Junge Junge, dat geiht goot aff!

Nimm die drei ersten Songs der Seite 1, wirkliche Killer-Tracks: in präziser, harter Rock-Manier und einem Drive, dem nur Taube wiederstehen können: „Rolling Home“; im folgenden Song stampft sich die Band (sprich ACHIM REICHEL) mit schwerem Bass zu Brachial-Gitarrenakkorden durch den englischen Kanal, „Es ging langsam voran“; schließlich ein fetzender Rock-Boogie, „De Düvel an Bord“, zu dem Bernd Schulz bestes Jerry-Lee-Lewis Piano beisteuert.

Die unernste Leichtigkeit, mit der Achim das Projekt angegangen ist, wird deutlich im „Lied von der Hochseekuh“, im schön besoffen klingenden Männerchor des „Hamborger Veermaster“ oder in „Johnny Johnny“, wo ein Country-Rock-Solo plötzlich in eine Art Almdudler umkippt.

Auf die Schnelle noch zwei bemerkenswerte Songs: das getragen-wehmütige „Shenandoah“ und „Pest an Bord“: So etwas von scheinbar emotionslos, doch ungeheuer eindringlich gesprochenem Text muss man gehört haben.

Das Album ist fraglos in erster Linie ein Rock-Album und als solches exzellent produziert. ACHIM REICHELs rauchig-tiefer Gesang ohne eine Spur von Manierismus ist auf allen 10 Titeln bestechend, seine Instrumentierung der Shanties im Rock-Idiom immer überzeugend.

Besonderes Lob noch der hervorragenden Klangqualität dieser Platte, sowie der Konzeption und der sorgfältigen Gestaltung des Covers.

Also, ich kann nur wärmstens empfehlen: unbedingt anhören!

Michael Schlüter, Sounds Juli 76


So klingt's vom Alpenrand zur Waterkant

Szenenwechsel nach Hamburg. ACHIM REICHEL, Uralt-Rattles-Mitglied aus den schon halbvergessenen 60er Jahren, von vielen Leuten für verschollen gehalten, hat auf seine „alten Tage“ ein ganz großes Ding losgelassen. Er hat den ebenso einfachen, wie genialen Einfall, plattdeutsche Shanties und englische Seemannslieder als Rock 'n' Roll-Songs zu arrangieren, zu spielen und zu singen – alles in einer Person (ACHIM REICHEL: „Dat Shanty Alb'm“, Nova-Teldec). Die einfachen Harmonien der Traditionals erwiesen sich als maßgeschneidert für einen knarrenden Bass, eine heulende Gitarre und ein knallhartes Schlagzeug. Und wer es uns nicht glaubt, daß dies schlicht die beste Rock 'n' Roll-Platte ist, die jemals in Deutschland produziert wurde, den soll der Klabautermann holen.

Petra Magazin – 1976